Predigt-Rückblick: Okuli, 15.03.2020

„Gnade sei mit uns und Friede von Gott und unserem Herrn Jesus Christus, Amen.
Eigentlich wollte ich dieses Jahr nicht fasten. Keine Kraft auf irgendetwas zu verzichten, was weh tut. Das ist anstrengend und ich wollte nicht. Ich habe viel zu tun und zu denken, und ich dachte: Nein, dann noch auf das Glas Wein oder die Chips verzichten – meine kleine Belohnung – krieg ich nicht hin. Und jetzt? Wir reflektieren nun, was wirklich wichtig ist. Der Coronavirus fordert uns heraus. Welcher Sozialkontakt ist wichtig für mich? Was brauche ich? Das Konzert? Den Kneipenbesuch? Die Geburtstagsfeier? Die Hochzeit? Was mache ich mit wem?
Gleichzeitig kommt ein zeitlicher Freiraum dazu. Was mache ich mit meiner Zeit und mit mir bzw. meinem engsten Umfeld? Wir werden auf uns geworfen. Keine Flucht mehr in Aktionismus, Kinobesuche, Zoo. Nein, zu Hause sein. In die Natur – raus. Am besten mit einem begrenzten Menschenkreis. Dann gehen wir einkaufen. Haben wir vertrauen, dass die Fächer wieder aufgefüllt werden? Nehmen wir doch besser mehr mit als sonst? Wo ist die Grenze von vernünftigen Vorräten und ich sichere mich ab, vielleicht auch auf Kosten der anderen? Es ist existentiell in dieser Passionszeit.
Im Evangelium sagt Jesus, wenn ihr mir nachfolgen wollt, dann ist das existentiell. Das durchdringt euren ganzen Alltag und ihr könnt nicht nur ein bisschen mir nachfolgen oder nur dann, wenn es euch passt. Mir ist die Forderung von Jesus zu doll. Ich verstehe denjenigen, der sich erst verabschieden will, oder der erst noch seinen Vater beerdigen möchte.
Liebe Gemeinde, ich frage mich sehr, was es gerade jetzt heißt, Jesus nachzufolgen. Was ist unsere Aufgabe in so einer Krise? Auch auf die Gefahr, dass ich mir nur raussuche, was mir gerade passt, zähle ich ein paar Dinge auf: Was mich persönlich manchmal aufregt, aber gerade in dieser Zeit mir auch so wichtig erscheint ist: sich Zeit nehmen, um nachzudenken und zu beten. Wir kriegen früh eine Mail und nachmittags ist sie veraltet. Wir müssen nicht sofort alle Entscheidungen für die nächsten Wochen treffen. Wir haben noch Zeit. In der Bibel gibt es mehrere Stellen, wo erzählt wird, dass Jesus sich herausnimmt – auf einen Berg geht – in den Garten – zur Seite und betet. Er nimmt sich aus der aktuellen Situation, dem Streit, der unterschiedlichen Meinungen, der Erwartungen raus, denkt nach und betet. Ich hätte ja auch immer gerne sofort Entscheidungen, aber gerade jetzt geht es nicht. Wir dürfen auch mal nachdenken. Die Politiker dürfen auch erstmal, nachdem sie nun Entscheidungen getroffen haben, nachdenken. Wir, die nun Empfehlungen bekommen haben, dürfen erstmal nachdenken und beten. Nicht ewig. Das ist auch klar, aber wir brauchen auch nicht sofort alles wissen. Deshalb möchte ich auch mit Ihnen heute hier sein. Wir haben die Zeit und wir dürfen miteinander beten und den Weg suchen.
Wenn man denkt, man hat keine Zeit, dann steigt auch die Panik. Und das ist die größte Gefahr: Wir müssen besonnen entscheiden. Und auch sehen, was wirklich ist. Zu Hause sein – in einem bequemen Haus – ist jetzt auch nicht sooo schlimm. . . . Zweitens: Jesus fordert Nächstenliebe. Ich glaube, daran erweist sich jetzt auch unser Christ-Sein. Haben wir den anderen im Blick? Wir Mitarbeitende – Ulrike Peter, Anke Groth, Thomas Wiesenberg und ich – sind für Sie da. Melden Sie sich, wenn irgendwas ist. Das kann ein seelsorgerliches Gespräch sein oder der Einkauf. Und auch Sie, wenn Sie können: sein Sie bitte für die anderen da. Der eine kann mit einkaufen fahren. Selbst wer nicht rausgehen kann, kann mit anderen telefonieren und die Einsamkeit vertreiben. Wir können füreinander beten. Sie können beim Nachbarn nachfragen, wie es geht. Sie können weiter erzählen, dass es Hilfsangebote gibt. Ansonsten werden sich bestimmt auch für uns noch Aufgaben ergeben. Wir werden sie auch suchen.
Unsere Gemeinde zeigt sich durch Veranstaltungen, die bilden, die stärken, die verbinden, die erzählen und verkünden. Aber diese Veranstaltungen werden wir nicht haben. Die Gemeinschaft, in der man sich ermutigt, hilft, sich reibt, Impulse bekommt – wird nicht sein. Aber wir werden Neues finden. Ich weiß noch nicht, was es sein wird, aber es kommt.
Drittens: liegt ja in Krisen auch immer eine Chance. Dinge, die nie möglich waren, gehen auf einmal. Oder man erkennt den Wert einer Sache. Auch wir werden suchen, wie unsere Botschaft in dieser Krisenzeit unter diesen Bedingungen verkündet werden kann. Und wahrscheinlich werden wir andere Wege gehen. Jesus sagt, dass der Sabbat für den Menschen ist. Nicht der Mensch für den Sabbat. Nur weil wir die Gottesdienste nicht mehr so feiern können, wie bisher, heißt das nicht, dass wir nicht das Wort Gottes hören können, beten und singen. Vielleicht nur anders als sonst. Doch per Internet eine Übertragung aus der Kirche? Oder wieder Briefgottesdienst?
Und das letzte: nachfolgen heißt einfach auch zu vertrauen und Zuversicht zu haben in die Nähe Gottes. Egal, was in den nächsten Tagen und Wochen auch ist: Gott ist da! Passionszeit. Gerade da, wo die Angst kommt. Die ganze Passionsgeschichte Jesu ist eine Zusicherung an uns: er ist da. Geht nicht weg. Und das gilt auch in Coronazeiten. Nachfolge heißt, an Gott festhalten auch wenn es uns gerade nicht gut geht. An seine Nähe glauben. Ich tu das – aus vollstem Herzen. Und ich bin unendlich dankbar. Und in dieser Sicherheit, glaube ich: Wir schaffen das. Miteinander und mit Gott. Ja?
Mein Wort 2020: Ja. Ja, wir schaffen es. Ja, zu uns.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.“

Fürbitten:
Gott, wir beten und bitten dich um uns und alle, die Angst haben und sich fürchten. Die Angst soll uns nicht beherrschen, sondern die Besonnenheit und die Fürsorge. Bitte hilf uns, dass wir ruhig werden, vertrauen und beten, wenn es in uns tobt. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Gott, wir bitten dich für alle Wissenschaftler, Mediziner, Politiker und Krisenstäbe. Sie alle haben eine große Verantwortung und so wenig Zeit und Erwartungsdruck. Stärke sie, im aufeinander Hören, gegenseitigen Respektieren und im Aushalten des Weges. Manches wird einfach Zeit brauchen und das wird durch alle auszuhalten sein. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Gott, wir hoffen, dass wir als Gesellschaft, diese Situation miteinander tragen. Dass Rücksicht genommen wird. Wir nicht auf uns schauen und dass wir durchkommen, sondern mitdenken für die anderen, was Schutzmaßnahmen angeht, Hamsterkäufe, das Halten der eigenen Burg. Sei bei unserer Gemeinde, dass wir deine Liebe spüren können, um sie weiterzugeben. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Gott, wir bitten für alle Pfleger, Krankenschwestern, Ärzte, für alle, die nicht aufhören sich um Menschen zu kümmern. Wir danken für ihren Einsatz. Stärke sie und mach sie mutig. Und hilf ihnen auf sich selbst aufzupassen. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Gott, wir bitten dich für die Wirtschaft und die Dienstleistenden. Vieles wird so unheimlich schwer. Geld wird fehlen. Geschäfte, Firmen werden Ausfälle haben, die ihre Existenz bedrohen. Hilf zu Vertrauen in das, was kommt und die Politik verspricht. Sei bei diesen Menschen und lindere die Angst. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Gott, wir bitten für alle Menschen, die leiden. Wir sind jetzt so bei uns und dem was uns passiert. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es andere Menschen mit anderem Leid gibt, dass näher, härter ist als das, was wir hier erleben. Ich denke an die Flüchtlinge in schrecklichen Lagern, an Kriegsorte. Unser Blick muss auch wieder dorthin gehen. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.


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