Unsere Online-Predigt für den Palmsonntag kommt von Saskia Lieske, ehemalige Vikarin in Aschersleben und zur Zeit Pfarrerin im Entsendungsdienst in Thale. Sie teilt mit uns ihre Gedanken zum Hebräerbrief, zu Hoffnung und Zweifeln, Straucheln und Zuversicht – eben zu dem, was die vor uns liegende Karwoche ausmacht:
„Auf der Zielgeraden seines Briefes traut er sich dann doch noch an die Frage heran: Was ist eigentlich Glaube?! Woran die Adressat:innen glauben sollen, das hatte der Verfasser des Hebräerbriefes bereits ausführlich geschildert. Zeile für Zeile zeigte er ihnen, wer Jesus Christus war und was er getan hat. Unterbrochen hatte er seine Ausführungen nur durch Aufrufe, kräftig zu glauben. Nun war es Zeit, auf den Punkt zu bringen, was Glaube ist:
„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen.“ (Hebräer 11,1-2)
Das ist Glaube: Eine feste Zuversicht. Ein Nichtzweifeln. Mehr sehen als das, was offensichtlich ist. Sich nicht mit dem Ist-Zustand zufriedengeben, sondern hoffen. Es liest sich so leicht und ist doch so schwer. Denn zu den Erfahrungen im Lebenslauf gehört auch, dass Zuversicht und Nichtzweifeln mehr als einmal erschüttert werden: durch Unrecht, das im Namen Gottes geschieht; durch Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit; durch enttäuschtes Hoffen auf Gott.
„Stimmt! Auch Erschütterungen gehören dazu!“ – so lesen sich die Zeilen, die der Verfasser an seine knappe Definition anschließt. Er bebildert die Zuversicht und das Nichtzweifeln und ruft seiner Gemeinde die Hoffnungserzählungen vergangener Generationen in Erinnerung: Noah vertraute Gott und baute die Arche, als noch kein Wasser in Sicht war. Abraham zweifelte nicht an Gottes Versprechen und brach ins gelobte Land auf, ohne zu wissen, wo ihn sein Weg hinführen würde. Sara vertraute Gott und bekam schließlich im hohen Alter einen Sohn, den Ersten unter Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne. Mose zweifelte nicht an der Rückkehr ins gelobte Land, als hinter ihm die Ägypter und vor ihm das Rote Meer waren.
Er führt noch andere Namen ins Feld und könnte noch so viel mehr nennen. Alle diese Menschen verbindet, dass sie ins Ungewisse aufbrachen – ohne so richtig zu ahnen, wo ihr Weg sie hinführen würde, dafür aber voller Hoffnung auf Gott. Bei manchen ging in Erfüllung, was er ihnen in Aussicht gestellt hatte. Andere sahen es nur aus der Ferne.
Die Hoffnung ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern hat konkrete Anhaltspunkte. Denn Gott hat ganz unterschiedliche Spuren im Leben so vieler Menschen hinterlassen. Der vergewissernde Blick zurück soll den Blick nach vorn stärken. Deshalb fährt der Verfasser entschlossen fort:
„Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.“ (Hebräer 12,1-3)
Palmsonntag bildet den Auftakt zu einer Woche, die durch die Höhen und Tiefen des Lebens führt – die Hoffnung ist immer mit dabei: Als Jesus damals über den Ölberg hinunter zu den Toren Jerusalems zog, war die Hoffnung der Menschen greifbar. Sie standen dicht gedrängt an dem Weg, breiteten ihre Kleider aus und jubelten: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt, in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ Bald darauf verstummte der Jubel, stattdessen hallten die heiseren „Kreuzige ihn!“ -Rufe durch die Straßen. Die Hoffnung der Jünger:innen, die sie mit Jesus verbunden hatten, wurde kleiner. Als Jesus schließlich tot am Kreuz hing und sich später die Grabesstille ausbreitete, wurde die Hoffnung auf ihre härteste Probe gestellt. Noch ahnten die Jünger:innen nichts vom bevorstehenden Wunder; der Kampf schien verloren.
Nicht zu sehen und dennoch zu hoffen, ist kein Selbstläufer. In manchen Momenten muss ich hart um die Hoffnung kämpfen. In vielen anderen ist Geduld gefragt, weil ich so gerne deutliche Zeichen von Gott sehen würde, aber doch nur eine leise Ahnung von ihm habe. Aber ich bin keine Einzelkämpferin – und das tut gut. Denn eine Wolke der Zeuginnen und Zeugen umgibt mich auf meinem Lebensweg. Zu dieser Wolke gehören Noah und Abraham, Sara und Moses, Maria Magdalena und Paulus, und auch Jesus. Zu ihr gehören aber auch die Katechetin aus Kindertagen, der Freundeskreis aus Uni-Zeiten oder die alte Diakonisse auf Station im Krankenhaus. Sie haben an ihrer Hoffnung festgehalten. Und ich kann Gottes Spuren in ihrem Leben erkennen – in der ansteckenden Freude, in dem beharrlichen Fragen nach Gott, in dem Vertrauen auf dem Weg von dieser Welt in Gottes Ewigkeit. Wenn ich ins Straucheln gerate und das Nicht-Sehen und Dennoch-Hoffen schwer wird, dann fasse ich durch diese Glaubenszeugnisse neue Zuversicht, um meinen Lauf fortzusetzen und am Glauben dranzubleiben.
Amen.“