Auferstehung – was ist das?
Die Bibel gibt uns keine Auskunft über den Vorgang der Auferstehung. Sie liefert keine gesicherte Erkenntnis. Auch von Zweiflern ist die Rede. Von dieser Spannung lebt der Glaube. Christlicher Glaube spielt sich im Streit nach außen, mit Philosophien und Ideologien, und im Streit nach innen mit den eigenen Zweifeln ab. Ohne Streit nach innen kann nur Fundamentalismus und Gesetzlichkeit herauskommen, unduldsam gegen jede Abweichung. Von daher leblos, starr und bedeutungslos für Außenstehende. Ohne Streit nach außen wird der Glaube für die Welt zur Sekte, ebenso bedeutungslos. Doch Gott ist nicht nur an den Gläubigen interessiert. Er ist interessiert an allem Leben, der Welt, seiner Schöpfung. Der Sinn christlichen Glaubens ist, daß wir „durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen.“ (Joh.20,31) Dieser Satz steht am Ende des Berichtes über die Auferstehung Christi im Johannesevangelium. LEBEN ist also nicht das bloße Vegetieren, Konsumieren, Produzieren und Verbrauchen.
Die nicht selbstverliehene, aber in unserem Grundgesetz an erster Stelle stehende Menschenwürde gilt allen Menschen gleichermaßen. Dennoch wird sie ständig ruppig begrapscht. Gegen eine solche Art von Lebens-Engführung lebte Jesus und so störte er. Doch mit seiner Tötung war nichts zu Ende. Alles fing erst an – Auferstehung! Auferstehung heißt eben auch: Aufstehen gegen Bosheit, Gewalt, Verschwörungen, Banalität, Hoffnungslosigkeit, Resignation, Langeweile. Das ist kein Forderungskatalog, aber eine Blickrichtung für das Leben.
Wenn wir Ostern die Auferstehung Christi als abgeschlossene Information verstehen, verfehlt sie ihren Sinn. Ohne sie zu teilen machen wir aus Christus ein Idol auf einem Sockel, das unser Leben nicht berührt. Christus braucht weniger Verehrer und mehr Freunde. Auferstehung als objektives Faktum, als überliefertes geschichtliches Moment hat keinen Sinn. Christus allein, ohne Zeugen und ohne Freunde, ergibt auch keinen Sinn. Christen sind ein Teil Christi, deshalb tragen sie seinen Namen. Er gehört zu unserer menschlichen Existenz. Doch unsere menschliche Existenz kann nur über unsere sozialen Beziehungen definiert werden.
Die Corona-Pandemie zwingt uns zur Zeit zu asozialem Verhalten: Begegnungen vermeiden, Abstand halten. Als Menschen sind wir besser durch unsere Beziehungen als durch unsere Substanz zu definieren. Unser Wesen ist eine lebendige Beziehung zu Anderen, die auf Gegenseitigkeit beruht. Nur wo es in erster Linie um Kapital geht, werden Beziehungen auf Haben und Konsum reduziert. Ich kann Ostern nicht allein als Ereignis der Vergangenheit sehen, sondern als einen Prozess: Menschen kommen vom Tod zum Leben. Mit der Erinnerung nähren wir die eigene Hoffnung auf Auferstehung. Diese Hoffnung bleibt unbeweisbar. Sie ist ein Akt des Glaubens, wie die Liebe. Auferstehung nährt den Glauben, der aufsteht und hilft, Wunden zu heilen.
– Pfarrer im Ruhestand Gerhard Hampel